Erna Cahn, geb. Müller
Erna Müller wurde am 30. November 1892 in Störmede, heute ein Stadtteil von Geseke in Westfalen, geboren. Ihre Eltern waren Bernhard Müller und seine Frau Rosa, geb. Goldstein. Über ihre Kindheit, Schulzeit und Ausbildung ist nichts bekannt. Verheiratet war sie mit dem 12 Jahre älteren Kaufmann Artur Cahn, mit dem sie laut Adressbuch von 1921 in der Augustastraße 12 in Heckinghausen wohnte (1935 in Heinrich-Janssen- Straße umbenannt), 1931 in der Hansastraße 10, ebenfalls in Heckinghausen (1935 in „Coburger Straße“ umbenannt, heute „Rudolf Ziersch-Straße“). Artur Cahn war Inhaber der Firma Wilhelm Cahn, und als solcher wird er im nationalsozialistischen Boykottheft von 1935 mit seiner Adresse Untere Lichtenplatzer Straße 78 genannt (S.6).
Mit Sicherheit hatte die Firma der Eheleute Cahn genauso unter den nationalsozialistischen Boykottierungen und den allgemeinen diskriminierenden Einschränkungen zu leiden wie alle jüdischen Bürgerinnen und Bürger. Erna Cahns Söhne, Wilhelm Bernhard Cahn, geboren 1914, und Hans Gerhard, geboren 1915, beide in Barmen, konnten rechtzeitig aus Deutschland emigrieren und so überleben. Ihr Ehemann starb am 28. Juni 1937 Barmen und wurde auf dem jüdischen Friedhof an der Hugostraße bestattet (Feld M 51).
Die nun alleinstehende Witwe konnte offensichtlich in ihrer Wohnung in der ersten Etage des Hauses Untere Lichtenplatzer Straße 78 wohnen bleiben.
Von dort musste sie sich am Montag, den 10. November 1941 auf den Weg zum Bahnhof Steinbeck machen, versehen mit ihrem Gepäck und Proviant. Mit über 250 weiteren Wuppertaler Juden und Jüdinnen wurde sie nach Minsk deportiert, wo sie fünf Tage später ankam.
Das Ghetto in Minsk war von den deutschen Besatzern im Sommer 1941 auf zwei Quadratkilometern eingerichtet worden. Rund 75.000 jüdische Menschen lebten in Minsk, von denen die meisten ins Ghetto umziehen mussten. Im Herbst und Winter kamen dann noch sieben Deportationszüge mit rund 7000 Jüdinnen und Juden aus dem „Altreich“ hinzu. Die Lebensverhältnisse in den aus Stein oder Holz erbauten Häusern waren katastrophal.
Wer am Leben bleiben durfte, musste in ein besonderes Ghetto etwas abseits vom Hauptghetto ziehen, das in fünf Abteilungen entsprechend der Herkunft der Transporte eingeteilt war: Hamburg, Berlin, Bremen, Wien und eben Rheinland. Von diesen Ghettobewohnern starben die meisten durch Erschießungs- und auch Vergasungsaktionen (durch KFZ-Motorabgase) Ende Juli 1942, am 8. März 1943 und im Herbst 1943.
Die meisten der Opfer aber kamen gar nicht erst ins Ghetto, sondern wurden mit dem Zug direkt in das 12 km südöstlich von Minsk gelegene Maly Trostenez gebracht und dort ermordet, in der Regel bei Erschießungsaktionen. Das Schicksal der wenigen, die in ein Arbeitslager geschickt wurden, ist unbekannt.
Erna Cahn 49 Jahre alt, als man sie deportierte.
Quellen
Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge: Deportationsliste Minsk | https://www.geni.com/people/Erna-Cahn/6000000056654504201