Henriette Marcus, geb. Feist
Henriette Feist wurde am 5. Oktober 1864 als drittes von acht Kindern in Solingen geboren. Ihr Vater Joseph Feist gründete im selben Jahr zusammen mit seinem Bruder Abraham die Firma „Gebrüder Feist“. Später trennten sich die Brüder, und Joseph Feist gründete 1880 die Schneidwarenfabrik „Omega“. Henriette Feists Vater war zweimal verheiratet: Mit seiner ersten Frau hatte er eine Tochter, Emma, die mit nicht einmal fünf Jahren starb. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er um 1858 Franziska Steiner, die Mutter von Henriette Feist.
Henriette Feist heiratete am 9. Dezember 1890 in Solingen den in Elberfeld wohnenden, ein Jahr jüngeren Kaufmann Siegmund Marcus. In Barmen wurde 1892 ihre Tochter Margarete (Grete) und drei Jahre später die Tochter Erna geboren.
Nach 1905 zog die Familie, die dem liberalen Judentum nahestand, nach Köln. 1926 starb Henriette Marcus` Mann Siegmund.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde die Lebenssituation für alle Mitglieder der Familie Marcus schwierig. Henriette Marcus und ihre an Kinderlähmung erkrankte Tochter Grete wohnten später im „Israelitischen Asyl für Kranke und Altersschwache“, wo ihre Tochter, die Ärztin Dr. Erna Rüppel, mittlerweile als Krankenschwester, später als so genannte „Krankenbehandlerin“ tätig war und sich um sie kümmern konnte.
Nach einer schweren Bombardierung der Stadt Köln am 31. Mai 1942 wurde das Israelitische Asyl geräumt. Die Bewohner und Bewohnerinnen und das Personal wurden im Sammellager Müngersdorf untergebracht. Von dort aus gelang es Henriette Marcus´ Tochter Erna zu fliehen und unterzutauchen. Der Solinger Historiker Horst Sassin schrieb dazu: “Sie handelte aus der klaren Erkenntnis heraus, dass sie Mutter und Schwester nicht mehr helfen konnte.“
Am 27. Juli 1942 wurde Henriette Marcus mit ihrer Tochter Grete von Köln in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort starb sie am 13. September 1942. Henriette Marcus war 78 Jahre alt.
Ihr Tochter Grete Marcus starb genau eine Woche später, am 20. September 1942.
Die jüngere Tochter Erna war seit dem 17. Dezember 1921 mit dem nichtjüdischen Arzt Dr. Hans Rüppel verheiratet und überlebte den Holocaust.
Quellen
Hans Joachim Schneider: In Solingen geboren – in der Shoah gestorben. Solinger Juden, die die Schreckensherrschaft nicht überlebten, in: Die Heimat, Heft 26 (2010/11), S. 62 | https://de.wikipedia.org/wiki/Erna_Rüppel | Horst Sassin: Überleben im Untergrund. Die Kinderärztin Dr. Erna Rüppel (1895–1970). In: Die Heimat, Heft 26 (2010/11), S. 4–37