Julius Holstein

  • Geburtsdatum: 15.05.1880
  • Geburtsort: Gensungen bei Kassel
  • Beruf: Althändler, Synagogendiener
  • Wohnort:

    Neue Friedrichstraße 1, Obergrünewalder Straße 12, Schwanenstraße 26

  • Todesdatum: 12.07.1942
  • Todesort: Ghetto Łódź

Julius Holstein wurde am 15. Mai 1880 in Gensungen als neuntes von insgesamt 15 Kindern der Eheleute Alexander Speier-Holstein und Eddel Hammerschlag geboren. Von seinen vierzehn Geschwistern starben zwei schon im frühen Kindesalter. Über seine Kindheit, Schulzeit und Ausbildung ist nichts bekannt, aber es ist zu vermuten, dass Julius Holstein einen kaufmännischen Beruf erlernte.

In erster Ehe war Julius Holstein mit Betty Daniel verheiratet und hatte mit ihr zunächst zwei Kinder: Alexander, geboren am 4. April 1907, Fanny, geboren am 14. Februar 1910 in Schwelm. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Musketier in der 10. Kompanie des 190. Infanterie-Regiments, am 18. Juli 1917 wurde ihm des Eiserne Kreuz II. Klasse verliehen. Nach seiner Rückkehr wurde das dritte Kind geboren: Alfred, geboren am 12. Dezember 1919 in Elberfeld.

Im Adressbuch Elberfeld von 1925 ist Julius Holstein als Rohproduktenhändler mit der Adresse Neue Friedrichstraße 1 aufgeführt. Julius Holsteins drei Jahre älterer Bruder Victor arbeitete seit 1898 in der gleichen Branche in Barmen.

Am 7. September 1931 starb Julius Holsteins Frau Betty. Seine beiden älteren Kinder waren zu diesem Zeitpunkt schon erwachsen, aber Alfred war erst 12 Jahre alt. Seit 1933 war Julius Holstein als Synagogendiener bei der jüdischen Gemeinde Elberfeld angestellt. Er wohnte nicht weit von der Synagoge entfernt in der Obergrünewalder Straße 12.

Vermutlich auch unter dem Aspekt, dass er eine Mutter für seinen jüngsten Sohn suchte, heiratete Julius Holstein am 5. August 1935 erneut, und zwar die ebenfalls verwitwete Rosalie Cohn, geb. Levy. Auch sie brachte mit ihrer Tochter Anneliese ein Kind mit in die Ehe – ihre beiden erwachsenen Kinder Siegfried und Edith wohnten schon nicht mehr bei der Mutter. Rosalie Holsteins Mutter Henriette Levy besaß in der Schwanenstraße 26 ein großes mehrstöckiges Geschäftshaus, in dessen Erdgeschoss sich ein Kino und ein Weinrestaurant befanden, darüber die Wohnräume, in denen die Familie lebte.

Unter dem Druck der nationalsozialistischen Boykottmaßnahmen musste Rosalie Holstein ihre selbständige Geschäftstätigkeit aufgeben. Sie und ihr Mann Julius Holstein richteten in ihrer Wohnung nun eine Pension ein, von deren Gewinn die Familie leben konnte.

Im Zuge der antijüdischen Gewaltaktionen im November 1938 wurde Julius Holstein am 10. November 1938 verhaftet, aber bereits am 14. November wieder entlassen. Als Grund wurde in der Gestapoakte „Beerdigungsarbeiten“ genannt. Auch nach der Zerstörung der Synagoge galt er weiterhin als Angestellter der jüdischen Gemeinde.

Am 11. Dezember 1938 gelang es Julius Holsteins Sohn Alfred, in die USA zu emigrieren und war damit in Sicherheit. Er starb 1981 in New York. Julius Holsteins Sohn Alexander indes starb schon am 22. März 1940 in Wuppertal im Alter von 33 Jahren – aus dem Friedhofsbuch geht nicht hervor, was die Ursache für diesen frühen Tod war. Sein Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof am Weinberg auf Feld J/I.

Zuletzt musste Julius Holstein als Hilfsarbeiter für die Firma „Werner Schlüter“ in der Breslauer Straße für einen Stundenlohn von 0,70 Reichsmark Zwangsarbeit im Rahmen des „jüdischen Arbeitseinsatzes“ leisten.

Am Sonntag, den 26. Oktober 1941, mussten sich Julius Holstein, seine Frau Rosalie und seine Stieftochter Anneliese am Bahnhof Steinbeck einfinden. Gemeinsam mit rund 200 anderen Jüdinnen und Juden aus Wuppertal und den Bergischen Nachbarstädten, wurde die Familie zunächst nach Düsseldorf gefahren, wo sie auf dem Schlachthofgelände Derendorf eine Nacht zubringen musste. Am nächsten Morgen fuhr ein großer Transportzug mit rund 1000 Personen nach Łódź, wo die Menschen in das Ghetto eingewiesen wurden.

Dort mussten die Holsteins mit weiteren Personen in das Zimmer 1 der Kollektivunterkunft Fischstraße 21 einziehen. Julius Holstein musste im Ghetto sein Wuppertaler Arbeitsbuch mit der amtlichen Registrierung 198/045983 abgeben. Er konnte sich und seine Angehörigen mit dem Nachweis seiner Kriegsauszeichnungen vom II. „Aussiedlungstransport“ am 5. Mai 1942 zurückstellen lassen. Am 19. Mai 1942 konnten sie in ein Zimmer der Wohnung 2 in der Holzstraße 39 einziehen. Am 28. Mai 1942 nahm Julius Holstein einen (Lebensmittel-)Kredit mit der laufenden Nr. 49 auf, den er am 27. Juni 1942 zurückzahlen konnte. Am 5. Juli 1942 nahm er dann nochmals einen Kredit mit der laufenden Nummer 59 auf. Julius Holstein starb am 12. Juli 1942 im Ghetto von Łódź. Die offizielle Todesursache wurde mit „Herzschwäche“ angegeben.

Julius Holstein war 62 Jahre alt.

Im gleichen Jahr wurde das gesamte Vermögen von Julius Holstein, bestehend aus 2.500 RM eines Wertpapierdepots und 371,79 RM Bankguthaben, von den deutschen Behörden beschlagnahmt.

Nur wenige Monate nach seinem Tod, im September 1942, wurden Julius Holsteins Witwe Rosalie und ihre Tochter Anneliese Cohn während der „Ghetto-Sperre“ aus dem Ghetto von Łódź in das Vernichtungslager Chełmno gebracht und dort ermordet.

Julius Holsteins Tochter Fanny, die mit Walter Schimmelburg aus Oschersleben verheiratet war, lebte in Halberstadt und Magdeburg. Sie wurde mit ihrem Mann deportiert und 1942 im Warschauer Ghetto ermordet. In der Stadt Oschersleben liegen seit dem 28. Juli 2023 vor dem Wohnhaus Kurze Straße 2 Stolpersteine für Fanny und Walter Schimmelburg.

Quellen


Stadtarchiv Wuppertal: Akten für Wiedergutmachung 626817 | Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal: Deportationsliste Łódz | Jakobs, Hildegard: Im Ghetto Litzmannstadt (Łódź). 1.003 Biografien der am 27. Oktober 1941 aus Düsseldorf Deportierten, in Zusammenarbeit mit Angela Genger, Immo Schatzschneider und Markus Roos, hg. vom Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf e.V., Essen 2011, S. 289-291